Kleine Frau, was nun?

Donnerstag, Februar 19, 2009

Kleine Liebeserklärung an Wouter.

Einsam ist mein Wissenschaftleralltag.
Einer der wenigen Lichtblicke dieser papierlastigen Zeit ist Wouter. Wouter ist ein fortgeschrittenes Semester (dezente Recherche ergab, dass er ein historisches Institut leitet), forscht über die Liberalen nach Thorbecke und aus irgendeinem Grund haben wir in stillschweigendem Einvernehmen beschlossen, in der KB nebeneinander sitzen zu wollen. Er ist immer ein bisschen vor mir da, dafür bleibe ich länger als er. Ab und zu flüstern wir uns etwas zu, meist fragt er mich etwas, denn er scheint einen höflichen Narren an mir gefressen zu haben.

Letzten Mittwoch war er nicht da. Er hatte das am Vortag angekündigt mit der Begründung er gehe in die Oper. Auf meine erstaunte Frage, ob er das mittags tun würde, antwortete er, dass er sich tagsüber schon einstimme und vorbereite auf seinen Opernabend. Ob ich auch Oper mögen würde, wollte er wissen.

Donnerstag, Freitag, Montag und Dienstag war ich dann nicht da. Ohne Ankündigung.
Als ich heute wieder in der Bib aufschlug, saß er schon da. "Ich habe Dich vermisst! Warst Du krank?", flüsterte er zu mir herüber und schaute mit großen Augen hinter seiner silberrandigen Brille.
Schön, dachte ich. Uns verbindet eigentlich nur, dass wir jeden Tag nebeneinander am Tisch sitzen und über Dinge lesen und schreiben, die im 19. Jahrhundert stattgefunden haben. Und auch ich hab an ihn gedacht, als ich diese vier Tage nicht in der Bib war.

Zwischendurch frug ich ihn, wieso er seinen Laptop am Tisch lasse, wenn er seinen Arbeitsplatz verlasse. Eine freundliche Mitarbeiterin der KB hatte mich nämlich davor gewarnt. Wouter blickte nach oben und sagte: "Ach, das mache ich immer. Ich vertraue ihm, dass es gut geht." Später wollte er wissen, ob ich katholisch oder evangelisch aufgewachsen sei. "Katholisch, aber nicht streng." Das habe er sich schon gedacht, meinte er. Hm...

Und zum Abschluss, als er aufbrach, frug er, was ich denn nach dem Studium machen wolle und ob ich in den Niederlanden bleiben würde. "Vorerst ja", antwortete ich - und Wouter made my day: "Ach, ich dachte mir eben, dass es eine Bereicherung für dieses Land wäre, wenn Du hier bleiben würdest."
Da war ich sprachlos.

1 Kommentare:

  • Am/um 21 Februar, 2009 10:39 , Blogger Ti-Bob meinte...

    eine schöne beschreibung von dieser "alltagsintimität", die entsteht, obwohl man den/die andere eigentlich nicht kennt.

    gerne mehr davon!

     

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