Kleine Frau, was nun?

Donnerstag, Januar 04, 2007

Omili

Beim letzten Mal

Ich hatte schon Angst davor, Dir zu begegnen.
Du warst so schwach, wie ich es nicht kannte. Konntest nicht aus dem Bett aufstehen, hast Dich von dem Motor in Deinem Bett zum Sitzen aufrichten lassen. Um ehrlich zu sein, Deine Haare, wie ich sie kenne, waren auch nicht da. Du hadertest mit dem Leben, mit der Welt und mit Dir.
Dann erzählte mir Deine Tochter, wie der Arzt böse auf Dich war, weil Du immerzu über das Essen gemeckert hattest. „Das ist hier schließlich ein Krankenhaus und kein Hotel“, sagte er.
Und dass Du zu eitel wärst, mit dem Rollator vor die Türe zu gehen.
Als Du dann auch noch mit einem Anflug von Freude betontest, dass Deine Freundin viel schlechter sehen kann als Du, obwohl sie doch viiel jünger ist, da wusste ich: Du bist ganz die Alte.


Dieses Mal

Warst Du noch viel mehr die Alte. Schelmisch und frech und ein bisschen garstig, aber im Herzen lieb.
Du hast genauso viele Pfannkuchen verdrückt, wie wir. Eigentlich bist Du 96, aber Du legst Wert darauf, dass Du „im 97. Lebensjahr“ seiest. Du hast uns die dicken Bücher gezeigt, die Du gerade liest. Und deine Stickarbeit, die fast über den ganzen Zimmerboden geht. „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“, das ist Dein Lieblingsspruch momentan.
Dann kannst Du wieder trefflich streiten und Widerworte geben und Besserwissen.
So liebe ich dich doch. Und so nehme ich Dich mit. Immer.

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